Lippert-Kosmischer Klang

Michael Lippert (12/2021)

Vom kosmischen Klang zum Klang Gottes

A und O / Om und Amen / Anfang und Ende

Nada Brama – die Welt ist Klang, so der Titel eines Kultbuches und Bestsellers der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, eines Buches, das mich in meiner Jugend sehr geprägt und inspiriert hat und das mir die spirituelle Dimension von Musik und Klang vor Augen – oder besser – vor Ohren geführt hat.

Als angehender Kirchenmusiker fand ich das absolut spannend und inspirierend. Die Beschäftigung damit war für mich ein „Muss“. Eigentlich auch ein Muss für alle, die mit Kirche, Gottesdienst, Liturgie und Musik zu tun haben. Seitdem war ich als Suchender unterwegs zum kosmischen Klang, der für mich immer mehr zum Klang Gottes wurde. Ich hörte und fand ihn in manchen Werken großer Komponisten, aber auch in alltäglichen Situationen und persönlichen Erlebnissen.

Autor von
Nada Brama war der Jazzmusiker und Hochschulprofessor Joachim-Ernst Berendt. Für ihn ist das Ohr – und nicht das Auge – das Tor zur Seele und damit zu Gott: Nada Brama – die Welt ist Klang, der Kosmos ist Klang und Gott der große kreative Klangkünstler. Über den Klang erschließt sich der Kosmos. Der Klang ist das große Bindeglied zwischen Gott, Kosmos und Mensch.

Die Schöpfungstheologin Brigitte Enzner-Probst, die das inhaltlich-theologische Konzept meiner neuesten Komposition, der
MESSE DES KOSMOS, entworfen hat, spricht in ihren Gedanken zur Kosmogonie von einem Urklang, nicht von einem Urknall. Kein brutaler Knall, sondern ein Klang rief die Schöpfung aus dem Nichts, dass sie sei. Ein Klang ordnete das Chaos, ein Klangwort von Gott ausgehend, von Gott, dem großen Anreger, ja Erreger gesprochen oder vielmehr gesungen.

Wie klingt nun aber der Urklang, der seit Anbeginn der Schöpfung den Kosmos durchdringt und durchwirkt? Wie klingt der göttliche Urgrund des Seins, die Tiefe Gottes? Lässt sich diesem Urklang überhaupt lauschend nachspüren, lässt er sich überhaupt hören oder lässt sich dieser „Sound Gottes“ nur erahnen? Wo sind seine Resonanzen zu spüren?

Aus mancher Musik konnte ich ihn heraushören. Einige sicherlich auch sehr persönliche Erfahrungen habe ich mit ihm gemacht: Manchmal, nicht immer und auch nicht immer bei der gleichen Musik. Ich hörte ein Fließen, Strömen, Rauschen, Brausen, faszinierend und überwältigend in seiner Sinnlichkeit, Leib und Seele ergreifend, erregend und anregend. Ein gewaltiger Strom!

Solche Hörerlebnisse hatte ich z.B. beim Vorspiel zum
Rheingold von Richard Wagner. Da war ich 14 Jahre alt und gerade konfirmiert worden. Es war meine erste Begegnung mit diesem kosmischen Urklang, mit einem wogenden, wallenden Urton, einem einzigen Akkord, aus dem heraus sich das ganze Welttheater des Ring des Nibelungen entfalten sollte. Seine Klänge waren mir der Türöffner zu einem mystischen Hören. Dieser Urklang begegnete mir daraufhin immer wieder; so auch in der Einleitung des ersten Satzes von Gustav Mahlers 1. Symphonie mit dem Titel „Der Titan“, eine zutiefst ergreifende Sonnenaufgangsmusik. Viele Beispiele ließen sich noch anfügen: die Alpensinfonie und die berühmte C-Dur-Kadenz aus Also sprach Zarathustra von Richard Strauss, Symphonien von Anton Bruckner, aber auch zeitgenössische Kompositionen von Olivier Messiaen, Einojuhani Rautavaara (Cantus Arcticus) oder die Minimal Music von Philipp Class, die mich in ihrer statischen und doch bewegten Rhythmik bis hin zu Techno-Klängen führte.

Mit der Zeit aber hörte ich ihn auch immer mehr aus Klängen oder Geräuschen heraus. Ich hörte ihn im Glockengeläute der Kirchtürme, im Rauschen der Wälder, im Säuseln des Windes, im Wellenschlag des Meeres, im Regen, im Sturm, aber auch im Sprechen des „Vaterunsers“ im Gottesdienst. Und ab und zu kann es auch geschehen, ihn in der Stille zu hören. In der Stille, in Kontemplation und Versenkung kann es geschehen, zu diesem Urklang hinab zu tauchen. Viele Mystiker und Mystikerinnen sprechen davon.

In der großen Stille tönt der Klang Gottes. Und Aufgabe aller spirituellen Musik ist es, in diese große, tönende Stille hineinzuführen.


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